Passend zum Artikel „Einsteigerserie: Technisches Tauchen – Höhlentauchen“ konnte ich, wie bei den anderen Artikels auch, wieder einen Profi finden, der – bzw. in diesem Fall die – mir ein Paar Fragen zum Thema Höhlentauchen aus der Sicht eines Tauchlehrers beantworten konnte. Es freut mich sehr, dass ich Irène Homberger gewinnen konnte, die Euch ein paar Einblicke in die Cave-Ausbildung von GUE geben möchte. Bevor ich hier jetzt aber zu viele Worte in der Einleitung verliere, möchte ich direkt Irène zu Wort kommen lassen:
1. Hi Irène, könntest du dich meinen Lesern kurz vorstellen? Wer bist du und was machst du?
Hallo Stefan. Danke für die Einladung zum Interview, es freut mich, dir hier Rede und Antwort stehen zu dürfen. Ich wohne in der Schweiz, nahe Zürich. Wir sind hier gesegnet mit vielen Seen, aber auch Höhlen gibt es im Umkreis von 2.5 Fahrstunden viele, so dass ich in den sechs Monaten im Jahr, in denen ich einem Teilzeitjob nachgehe, auch dem Höhlentauchen frönen kann. Weitere zwei Monate im Jahr tätige ich archäologische Unterwasserarbeiten, wo man täglich Funde aus den letzten 5000 Jahren entdeckt, ein echter Traumjob. Fast nicht zu toppen – wären da nicht noch meine GUE Kurse (OWD, Fundamentals, Scooter und eben Cave1). Sonst gehe ich meiner Leidenschaft dem Höhlentauchen nach und toure dafür um die Welt.
2. Könntest du uns bitte etwas über die Höhlenausbildung bei GUE berichten? Welche Inhalte werden behandelt und welches sind die grössten Herausforderungen im Kurs?
Der GUE Cave1 Kurs lehrt das selbständige Planen und durchführen eines Höhlentauchgangs, so dass ein GUE Cave1 Taucher später selbständig Höhlen betauchen kann. Dazu gehört beispielsweise, dass man über gute Skills in Leine legen verfügt, auftretende Probleme, wie defekte Ausrüstung, beheben kann, dass man als Team auch in schlechter Sicht effizient voran kommt, dass man über hervorragende Kommunikations- und Denkfähigkeit verfügt und jederzeit weiss, wo man sich in der Höhle befindet.
Ein GUE Cave1 Kurs beinhaltet weder Dekompressions- noch Stage-Tauchgänge. Auch Scooter oder komplexe Navigation (mehr als eine Abzweigung zu passieren) kommen erst in späteren Kursen vor. Der Kurs geht zwischen 5 bis 6 Tagen und ist mit mindestens 11 Stunden Unterricht pro Tag sehr anspruchsvoll. Die Wasserzeit hat dabei Priorität, schnell einmal 3-4 Stunden am Tag. Im Cave2 Kurs wird dies dann sicher nicht weniger, da kommen dann auch Stage, komplexe Navigation und Dekompression dazu. Es lohnt sich also, auf Cave1 Niveau ausreichend Erfahrung zu sammeln. Cave2 Taucher können später bei Interesse einen Höhlenvermessungskurs absolvieren: grosses Kino für Vermessungsprojekte, respektive für alle, die mehr als nur die Leine vermessen, sondern eine Karte zeichnen wollen. Für erfahrene Cave2 Taucher gibt es aber noch die Praline aller Tauchkurse: Ein GUE Höhlen-Scooter-Kurs. Mit allem Plimbim stundenlang in den hintersten Ecken herum düsen: Prädikat „sehr geil“.
GUE ist ja sozusagen aus einem riesigen Höhlentauchprojekt heraus entstanden und wurde 1998 in Cave Country Florida gegründet. Zum Glück hat man dann bald den GUE Fundamentalkurs ins Leben gerufen, so dass sich heute die Ausbildung im Cave1 vom ersten Tag an auf die Höhle fokussiert. Meine Kurse starten wenn immer möglich bereits am 1. Tag um 08:00 Uhr an einem Höhlenpool. In den Anfängen, wo es noch kein Fundy gab, musste man für „Fundy Skills“ wie Kicks, Tarierung, Trim und Prozeduren oft noch viel Zeit aufwenden, was ein erfolgreiches Bestehen im Höhlentauchkurs oft unmöglich machte. Dank dem Fundy Tec Pass ist die Abschlussrate im Cave1 markant gestiegen. Wobei bis heute Fundiskills und die persönliche Fitness zu den meist gesehenen Schwierigkeiten der Schüler gehören.
3. Besteht beim Höhlentauchen ein höheres Risiko als bei Trimix-Tauchgängen im Freiwasser?
Wenn du fortlaufend an deinen Skills arbeitest und eine hervorragende situative Aufmerksamkeit (Awareness) hast, dich an alle Regeln hältst, ein tolles Team abgibst und freie Kapazität hast um bei Problemen zu denken, dann ist Höhlentauchen ohne Deko vergleichbar mit dem Risiko von Trimixtauchgängen. Aber diese Beschreibung trifft leider für viele nicht immer zu und nicht jede Höhle verzeiht Nachlässigkeit gleich. Deko-Tauchgänge in der Höhle bergen natürlich grössere Risiken als solche auf Cave1 Niveau, da man nicht nur dekompremieren, sondern auch immer den gesamten Weg aus der Höhle tauchen muss, vor, während oder nach der Deko.
4. Welches ist deine favorisierte Höhle zum Tauchen und warum?
Alle erwarten jetzt „Mexiko“. Mexiko ist auch wirklich der Hammer, nicht um sonst gibt es da Gänge mit Namen wie LSD-Passage. Aber wenn ich bei grosser Strömung aus Höhlen wie Ginnie Springs herausgetrieben werde ohne mit der Flosse zu zucken, bei 22 Grad und glasklarer Sicht, mich schwerelos fühle wie beim ersten Tauchgang, dann denke ich immer „Florida ist einfach unvergleichlich cool“. Ein Paradies. Aber hey, ich höre schon Frankreich maulen, weil ich meine Heimat immer über alles lieben werde und dort so viele Projekte im Hinterkopf habe, dass ich es nicht hinten anstellen will. Und nun schnippt Sardinien mit den Fingern und meint „aber mir sagst du doch auch immer, ich sei so toll!“. Du siehst, es gibt nicht den Favoriten. Jede Höhle ist einzigartig, ich liebe sie alle.
5. Was macht für dich die Faszination beim Höhlentauchen aus?
Jede Höhle hat einen eigenen Charakter. Es ist einfach wunderschön diesen zu entdecken. Was ist hinter der nächsten Ecke, was gibt es dort zu sehen? Ich kann nicht verstehen, dass einige Taucher sagen „Nein, in die Höhle gehe ich nicht mehr, die habe ich zu oft gesehen“. Für mich gibt es immer wieder Neues zu finden und sei es auf der Deko sitzend Versteinerungen zu finden. Das ist einer der Vorteile gegenüber dem Freiwasser: man kann manchmal fast Studien betreiben über die Erdgeschichte. Zudem finde ich, dass eine Höhle der friedlichste Ort ist auf der Welt, magisch. Fernab von Hektik zählt immer nur sie und dein Team, der einzelne Augenblick.
6. Kannst du uns noch etwas über deine aktuellen Projekte erzählen, an denen du im Bereich Höhlentauchen beteiligt bist?
Sehr gerne. Das eine oder andere Unterfangen in Frankreich ist jedoch noch nicht spruchreif. Zum Beispiel hat eine Höhle in Südfrankreich unsere besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen – nachdem wir sie nach über einem ganzen Tag suchen endlich gefunden haben. So richtig erzählen mag ich darüber erst, wenn wir einen ersten Plan erstellt haben.
Aber erwähnenswert ist sicher, dass das diesjährige Hidden River Projekt an der Cabouy (Lot, Frankreich) schon tief in der Vorbereitung steckt. Eine Woche treffen wir uns wie jeder Jahr um dieses grosse Höhlensystem weiter zu erforschen. Schon bald heisst es also wieder Stages füllen, Trockenröhre packen für die Nächte im Biwak, alles was nass werden darf in einen Schleifsack packen, Scooter und Backup Scooter laden um dann mit Sack und Pack durch die Höhle zu fahren, respektive zu klettern. Ich liebe dieses Projekt, da es die Trockenhöhlenforschung und die Taucherei mitsamt einer fordernden Logistik vereint.
Auch dieses Jahr waren wir wieder im Bergwerk Nuttlar aktiv. Dort vermessen wir in einem super Team seit Jahren die Gänge. Die alten Karten erzählen nur die halbe Wahrheit über die Gänge, was es notwendig machte, die Gänge zu vermessen und zu zeichnen, so dass andere Höhlentaucher ein besseres Verständnis haben wo sie entlang tauchen. Zudem haben wir das gesamte Bergwerk mit Leine verlegt, so dass es in Nuttlar eine wunderbare „Gold Line“ gibt wie in Mexico und Florida.
Irène, vielen Dank für die tollen Einblicke!
Für alle, die mehr über Irène wissen möchten, oder sich weitere Details zu Kursen etc. holen möchten, schaut auf Irènes Website vorbei oder schaut Euch ihr Profil auf der GUE Website an.
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